Wie sieht man uns?

Beitrag: Dipl.Ing.(FH),

Werner Erhardt LG 13

... zur Diskussionsanregung

Als Hundeführer mit fast 20jähriger Erfahrung kann ich es mir nicht verkneifen, auch einmal auf das Bild hinzuweisen, das wir derzeit in der Öffentlichkeit abgeben.

Da sind zum Einen die Leistungskrüppel: Der Neuling auf dem Übungsplatz lernt sehr schnell, daß ein "guter" Leistungshund Voraussetzung für Leistung ist! - Logisch.

Das bedeutet auf jeden Fall Haarfarbe grau, selbst wenn vom gleichen Wurf ein schwarz/gelber dabei gewesen wäre.

Dann beginnt die Aufzucht, sie kann ruhig grob sein, damit der Welpe später die nötige "Härte" aufweist. Dabei zeigen sich dann manchmal schon nach wenigen Monaten Mängel, so daß der Hund "nichts taugt". Wenn er dann auch noch kein "a" erhält, muß er leider bzw. auf jeden Fall verscherbelt werden - oder sonstwie weg.

Im Alter von ca. einem Jahr wird mit der Ausbildung begonnen. Mehrmals die Woche wird trainiert, volles Programm und massives Einwirken ist notwendig.

Einige Monate später ist dann der Hund fertig - so oder so. Das ist aber nicht so schlimm, denn der nächste - noch bessere - Welpe ist schon bestellt.

Eine Hundeausbildung ohne "Stachel" ist bei dem heutigen "Hundematerial" nicht mehr möglich. Anfänger kann man damit überraschen, daß man behauptet, es ginge auch ohne Stachelhalsband oder Elektrogeräte.

Im anderen Lager die Hochzuchtböcke: Diese scheinen es besser zu haben. Sie sind schwarz/gelb und können sehr gut im Kreis traben. Die Besitzer rennen mit wildem Geschrei wie angebrannt um die Abschrankungen, jeder Zuschauer, der ihnen im Weg steht, wird über den Haufen gerannt!

Die Meinungsträger: Köstlich amüsiere ich mich immer, wenn die 5% "Profis" über die "Leistungskrüppel" - oder je nach Lager "Hochzuchtböcke" mit großer Ernsthaftigkeit diskutieren. Die ungeteilte Aufmerksamkeit der Laien ist ihnen gewiß. Werden dann noch Details über die Blutlinien - meist reichen schon irgendwelche Zwingernamen - eingestreut, dann ernten sie die Hochachtung aller Anwesenden. Da zuzuhören, ist eine der interessantesten Seiten des Hundesports. Vor allem deshalb, weil dabei kein Schaden angerichtet wird.

Bedenklich wird es erst, wenn diese Leute einen Hund in die Hände bekommen!

Einige Kritikpunkte:

- Es darf nicht sein, daß Härte in der Ausbildung eine fehlende Qualifikation der Ausbilder ersetzt. Man erlebt leider immer öfter, daß solche "Profis" eine gewisse Vorbildfunktion einnehmen.

- Äußerst unwohl fühle ich mich, wenn jemand seinen Hund als "Sportgerät" betrachtet und dies mit einer gewissen Wegwerfmentalität auch praktiziert.

- Die Diskussion geht zu einseitig in Richtung Hund! ManchesVerhalten der Hundeführer ist - mit Blick auf die Öffentlichkeit - schlichtweg peinlich. Angefangen von der Unsportlichkeit, unfair ihrem Hund gegenüber und mit einem grenzenlosen Mangel an Einfühlungsvermögen ausgestattet, werden sie - ohne Widerspruch der Umstehenden - auf das Lebewesen Hund losgelassen.

Viel zu wenig wird bisher auf das Verhalten der Hundeführer eingewirkt.

- Auf Schauen macht man sich selbst unter Nichtprofis mittlerweile Gedanken, ob die inzwischen schon phlegmatisch wirkenden Rüden in Ponygröße mit ihrer Knochenmasse nicht am Markt vorbeientwickelt wurden.

Von Wendigkeit und Quirligkeit keine Spur mehr.

Forderungen an die Zucht: Es verblüfft schon, daß jahrzehntelang in eine bestimmte Richtung gezüchtet wird und Teile des Zuchtziels dann immer weniger Leuten vermittelt werden können.

Dies als Geschrei von ein paar Frustrierten abzutun, ist für uns "breite Masse" zu wenig. Es sieht so aus, als ob die Züchter ihren Standpunkt nicht sicher genug vertreten können! Vielleicht sollte man die SV-Mitgliederbeiträge mal dazu benutzen, zu den Streitpunkten (Hinterhand, cauda equina, usw.), wissenschaftliche Gutachten einzuholen, um diese leidige Diskussion zu versachlichen.

Forderung an die Leistung: Hier sollten keinesfalls die Extremvorgaben der "Profis" als alleiniger Wertmaßstab akzeptiert werden! Leute, die nur mit Stachelhalsband oder Elektrogeräten mithalten können, sollen beim "sauberen" Ablassen im Schutzdienst ruhig einen Punkt mehr erhalten, als sportliches Vorbild taugen sie weniger. Denn die Meinung der Öffentlichkeit bildet sich wesentlich durch das Verhalten der Hundeführer. Wobei die heutige Gesellschaft zugegebenermaßen dadurch geprägt ist, daß sie größtenteils kein ausgewogenes Verhältnis mehr zu Tieren hat.

Resümee:

- Die derzeitigen Entscheidungsträger des SV zeigen, daß sie in wesentlichen Fragen keine brauchbaren Instrumente finden, mit denen sie Meinungsverschiedenheiten sachlich angehen können, um zu einem tragfähigen Konsens zu gelangen. - Oder aber sie sehen die Notwendigkeit nicht?

- Eines der Hauptprobleme sind meines Erachtens die derzeitigen Zielvorgaben, oder deren "willkürliche" Auslegungen: Der nach Erfolgen gierende Hundeführer sieht, daß zum Beispiel bei Ausstellungen "Übergröße" eher von Vorteil ist oder daß ein "elektrisiertes" Herausfallen aus dem Hetzarm als Prädikat einer guten Ausbildung gewertet wird.

- Es stört mich zunehmend, daß die nun schon jahrelange Stagnation und die unendlich vielen unsachlichen Diskussionen dem Verein auf Dauer schaden.

Sollte ich mit diesen (zum Teil sicher überzogenen) Sticheleien dem Einen oder Anderen auf die Füße getreten sein, so betrachte dieser das bitte als Revanche.

Mir ist nämlich (noch) nicht egal, wohin der Ruf des Deutschen Schäferhundes inzwischen tendiert!