Fortsetzung (Teil 2)
Inhaltlich wird meiner Meinung nach die bisherige Diskussion pro und contra E-.Gerät vom Ansatz her falsch geführt. Es sind grundsätzlich mindestens drei Ebenen zu diskutieren, wobei prinzipiell der maßvolle Einsatz zu fordern ist. Dazu vertrete ich folgende These:
Elektrische Geräte dürfen bei Hunden nur maßvoll eingesetzt werden, um:
a) Triebblockaden zu erzeugen, um den Hund sowie seine Umwelt vor Schäden zu bewahren,
b) eine absolvierte Grundausbildung zu überwachen,
c) eine Ausbildung mit belastenderen Methoden zu vermeiden (besonders im Hinblick auf Zulassung von "soften" elektronischen Erziehungshalsbändern).
Grundsätzlich wird der a)-Bereich genutzt, um im Rahmen der klassischen Konditionierung dem Hund Reizlagen, die aktives Triebverhalten bewirken, umzukonditionieren auf Passivität (Hund muß Ruhe als Vorteil lernen), oder um Aktivitäten umzulenken in andere gewünschte Aktivitäten (psychologischer Ausgleich, Streßabfluß möglich).
Obwohl bei diesem Einsatz die Einwirkungen mit hoher Schmerzintensität erfolgen, ist hierfür am ehesten Einvernehmen zu bekommen, da leicht einzusehen ist, daß im Sinne der Güterabwägung der, wenn auch erheblicher, Schmerz gerechtfertigt ist. So leuchtet jedem ein, daß es besser ist, wenn der Hund nicht überfahren wird und sich der Motorradfahrer oder der Schulbus mit den kleinen Kindern nicht überschlägt, weil er dem wildernden Hund ausweicht. Auch leuchtet ein, daß der notorische Raufer besser erzogen als eingeschläfert wird, und Frauchen nicht langsam asozial und neurotisch wird, weil sie immer mit ihrem Hund in die nächste Hofeinfahrt flüchten muß, sobald sich irgendwo ein anderer Hund blicken läßt.
Im Bereich b) wird das E-Gerät auf niedriger Reizstufe (Störung, Unannehmlichkeit) im Bereich der instrumentellen Konditionierung eingesetzt. Hier speziell im Bereich der Lernfixierung durch Konflikte.
Ich vertrete zur Anschaulichkeit hier gern die These, daß jeder verantwortungslos handelt, der einen ausgebildeten Hund trainiert und die Leine abmacht, ohne ein elektrisches Erziehungshalsband als Ersatz einsatzbereit zu haben. Das Tier wird auf Grund seiner Triebmäßigkeit irgendwann aus dem Ausbildungsstand ausbrechen. Wenn dann nicht sofort, wenn auch ohne größere Schmerzen, gestört wird, lernt das Tier um, und damit wird eine Flut von Korrekturzwängen impliziert, die härter und obendrein unnötig sind.
Im Bereich c) wird das E-Gerät auf niedrigster Stufe (unterhalb von Schmerzen an der Sensibilisierungsgrenze) bei der instrumentellen Konditionierung für das Lernen durch Bestätigung eingesetzt, um Bewegungen zu steuern oder die Ausführungen auf die "stellvertretende Einwirkung" zu fokussieren. Dies ist ein recht unbekannter Bereich, der viel schonender und verständlicher für das Tier ist, als konventionelle Arbeit. Zur Zeit scheitert diese Einsatzmöglichkeit noch an der fehlenden (aber beantragten) Postzulassung neuerer amerikanischer Elektroreizgeräte, die viel für tiergerechte und humanere Ausbildungswege versprechen.
Art der Einwirkung
Bei konventioneller Ausbildung mußten wir immer die "ursprüngliche Einwirkung" durch unsere Körperbewegung ausführen, dabei sollte der Hund das Hörzeichen, die "stellvertretende Einwirkung" lernen. Die meisten Hunde funktionieren danach auf alle möglichen Körperhilfen, aber nicht auf das Hörzeichen, was sich immer sehr eindrucksvoll zum Erstaunen des Hundeführers demonstrieren läßt; oder sie lernen den Hundeführer als Bedrohung kennen, und entsprechend gestört ist das Verhältnis der beiden.
Die Hundeausbildung mit dem E-Gerät führt weg von der körperlichen Auseinandersetzung zwischen Mensch und Hund hin zu einer psychologischen Auseinandersetzung, die entscheidende Vorteile hat, und die die geistige Überlegenheit des Menschen in den Vordergrund bringt.
Ich weiß, daß an dieser Stelle meine Gegner argumentativ zu Recht einsetzen und auf Gefahren hinweisen. Aber nur wer keinen Respekt vor dem Lebewesen hat, verroht in der Art und Weise, daß er mit seinem Hund "elektrische Eisenbahn" spielt und der Hund, der solch einen Hundeführer hat, ist mit und ohne E-Gerät ein "armes Schwein". Dafür reicht aber unser Tierschutzgesetz allemal aus.
Wenn ich diese Form der psychologischen Hundeausbildung favorisiere, dann tue ich dies nach 30 Jahren konventioneller Ausbildung und 20 Jahren Lehre über Hundeausbildung. Die neuen Generationen von E-Geräten erlauben taktile Einwirkungen von angenehm bis schmerzhaft, wobei meist auf der Stufe von gerade unangenehm eingewirkt wird, weil dabei die Lernfähigkeit des Hundes optimal funktioniert und kein unangebrachtes Meideverhalten den Ausbildungsprozeß stört. Die schmerzhaften Einwirkungen werden äußerst selten benötigt und müssen durch geklärte Ausbildungsprozesse vorbereitet sein.
Streßfaktor Mensch
20 Jahre Ausbildungslehre zeigten mir immer wieder, daß geistiger, aber vor allen Dingen auch körperlicher Streß des Lehrenden sich sehr ungünstig auf die Lernsituation und den Lernenden auswirken, und daß dabei die unangebrachten Härten
in die Ausbildung kommen.
Lustig für die Außenstehenden, verzweifelt für den Hundeführer und leidend für den Hund sind immer wiederkehrende Situationen in Seminaren, wo es bei dem immer gleichen Fall darum geht, daß der Hundeführer ein leises Hörzeichen mit einem kräftigen Ruck am Ausbildungshalsband tätigen soll. Entweder schreit der besagte Hundeführer ein lautes Hörzeichen und ruckt dann cholerisch hart, oder er gibt ein leises Hörzeichen, dann kommt aber auch kein Ruck am Halsband an. Die disziplinierte Abkoppelung von Physis und Psyche des Hundeführers beschleunigt den Lernprozeß und kommt dem Hund deutlich zugute.
Von unschätzbarem Vorteil ist das E-Gerät auch bei Hundeführern, die körperlich ihrem Hund gegenüber eher zart wirken.
Zum einen verlieren sie nicht den Mut und den Spaß an der Hundeausbildung, die ich für einen Hund ab einer gewissen Größe und einem gewissen Triebpotential für unabdingbar halte.
Zum anderen bewirken die in solchem Fall für den Hund eher unterschwelligen, konventionellen Zwangseinwirkungen nicht ein ständiges nervöser werden, weil die technisch gedachten Zwänge genau das Gegenteil bewirken, nämlich einen Triebkonflikt, der zusätzlich die Aggression in Situationen anspricht, in denen man sie beileibe nicht gebrauchen kann.
Aber jetzt wird es schon zu esoterisch, ich wollte die E-Geräte-Thematik mit diesem Beitrag eher versachlichen und die Diskussion anregen, um klarzustellen: Das E-Gerät ist weder gut noch schlecht, es ist das, was der Hundeführer damit macht.
Übrigens: einen gesunden und gut ausgebildeten Hund zu haben, ist eines der schönsten Dinge auf der Welt. Die Ausbildung selbst schafft eine Bindung zum Tier, die nur derjenige nachempfinden kann, der sie selbst erlebt hat. Ich wünsche es Ihnen!